Erinnerungen Raum geben
O céu é inominável. Der Himmel hat keinen Namen
Text von Dorothea Leicht
Es ist eine ständige Bewegung – vor – zurück. Versuche
Erinnerungen ins Jetzt zu holen, der Sehnsucht einen Raum zu geben. Die zu
überbrückende Distanz ist – räumlich wie zeitlich – groß.
O céo é inominável (Der Himmel hat keinen Namen) erzählt von einer Reise, von der Sehnsucht nach einer fernen Person.
Zeichnungen, Collagen, Fotografien und Objekte sind
Wegspuren auf dieser Reise, die verwoben mit
einer Textarbeit eine fragmentarische Erzählung preisgeben.
Teile eines Koffers, der in seinen Ausmaßen an einen
„Überseekoffer“ erinnert, liegen am Boden. Darin versenkt sich ein von der
Decke herabhängendes Stoffbanner, in zartem Rosa, Hellblau und blassem Grün
gestreift. Neben diesen Requisiten evozieren auch die von einer ähnlichen
Farbpalette bestimmten Papierarbeiten – Motiven wie einem Seepferdchen, einem
Taucher, Palmen und Stadtansichten –
das Thema Reisen.
Ein Blatt aus einem alten astronomischen Bildband zeigt eine
Schwarz-Weiß-Abbildung des Mondes. Die Krater des Mondes sind mit
verschiedenfarbigen, aufgeklebten Punkten markiert. Auf einer anderen Arbeit,
einer der Fotoarbeiten ziert ein filigranes Muster den Arm der Künstlerin.
Judith Karcheter ließ sich einen Ausschnitt des Sternenhimmels auf den auf den Arm malen. Die Textarbeit
benennt, welche Bedeutungen dem Himmel und seinem Gestirn in dieser Arbeit
zukommen.
„ich schaue
mehrmals am Tag in den Himmel, in der Hoffnung, dass sich unsere Blicke dort
kreuzen“
Auch andere Motive, so das Meer oder die Palme, werden durch
Wiederholungen in Text und Bild symbolisch aufgeladen und zu Fixpunkten der
lückenhaften Erzählung.
Betrachtet man die Collagen auf einer formalen Ebene zeigen
sie völlig unterschiedliche Vorgehensweisen. Während bei der Aufnahme aus New
Orleans die Tusche die Gebäudefassade überdeckt, geht die Farbe in anderen
Collagen eine substantiellere Verbindung mit der darunterliegenden Fotografie
ein. Das Nichtvorhandene wird
Thema. Zwischenräume werden sichtbar gemacht, negative Formen zu positiven
umgedeutet, so dass sich der räumliche Aufbau der Bilder verändert.
Auf andere Weise changieren die Fotoarbeiten zwischen Dasein
und Abwesenheit: Zwar ist Judith Karcheter auf drei der vier Aufnahmen
Protagonistin, sie schaut dem Betrachter aber nicht ins Gesicht, sondern ist
mit abgewendetem Blick, von hinten oder nur partiell zu sehen. Dieses bewusste
Nichtzeigen appelliert an den Betrachter, der die gesetzten Auslassungen in den
Bildern ergänzt.
Die Person aber, um die die Arbeit kreist und die in der
Textarbeit in Andeutungen erwähnt wird, bleibt dem Betrachter fern. Indem Judith Karcheter das Erinnern in Fragmente zerlegt und
auf Chiffren reduziert, schafft sie einen immergültigen imaginierten Raum für
das Erinnerte.